Insbesondere bei Sprüngen wirken enorme Kräfte auf unseren Körper. Verletzungen am Sprung- und Kniegelenk, Brüche oder Rückenprobleme sind keine Seltenheit im Rollkunstlauf.
Häufige Ursachen für Verletzungen sind ein unzureichender Trainingszustand, mangelndes oder falsches Aufwärmen, technische Fehler oder schlicht Ermüdung. Für die Trainer ist es manchmal schwierig einzuschätzen, ob nach einem Schmerzensschrei das Training abgebrochen werden muss oder ob es weitergehen kann, wenn die Tränen getrocknet sind. Gerade Kindern fehlt die Erfahrung, einen Schmerz richtig einzuschätzen. Umso mehr ist das richtige Urteil und gegebenfalls eine Erstversorgung durch die Trainerin gefordert .
Wissenschaftliche Untersuchungen zu Verletzungen im Rollkunstlauf sind mir nicht bekannt. Sportmedizinische Studien im Eiskunstlauf dagegen gibt es mehrere und die Verletzungsbilder lassen sich teilweise auf unseren Sport übertragen. Der folgende Artikel ist deshalb eine Mischung aus Eiskunstlauf-Studien¹ und meinen eigenen Erfahrungen als Sportlerin/Trainerin.
Hautabschürfungen, Druckstellen und Blasen
Hautabschürfungen an Ellenbogen und Knie sind oftmals die Folge von Stürzen. Druckstellen und Blasen finden sich oft an den Füßen. Bei neuen oder schlecht sitzenden Schuhen oder sehr langen Trainingseinheiten machen sie sich schmerzhaft bemerkbar. Auch an den Fesseln, wo der Schuh endet, können wunde Stellen entstehen. Insbesondere bei Kindern muss regelmäßig die Paßform und die Schuhgröße überprüft werden.
Muskelkater
Dabei handelt es sich um kleinste Verletzungen der Muskelzellen, sogenannte Mikrotraumata. Auslöser sind besonders intensive oder ungewohnte Belastungen. Muskelkater tritt erst nach dem Training auf und ist in geringem Maß kein schlechtes Zeichen. Ein starker Muskelkater jedoch ist ein klares Anzeichen für eine Überlastung und sollte vermieden werden. Alle durchblutungsfördernden Maßnahmen wie Sauna, Heiß-Kalt-Dusche oder leichte Bewegung helfen in diesen Fällen weiter.
Zerrungen und Muskelfaserrisse
Eine plötzliche Bewegung in die falsche Richtung oder ein harter Schlag auf den Muskel und die Zerrung ist da. Die einzelnen Fasern werden überdehnt und es bilden sich kleine Kapillarrisse. Gleichzeit spürt man einen stechenden Schmerz, danach verkrampft sich der Muskel. Insbesondere Zerrungen in der Hüfte oder Leiste könne einen längeren Heilungsprozeß nach sich ziehen.
Ist die Einwirkung auf den Muskel noch größer, reißen die einzelnen Fasern. Eine Zerrung kann nach einigen Tagen ausgeheilt sein, der Faserriß ist wesentlich komplizierter und brauch mindestens drei Monate.
Prellungen
Prellungen sind wohl die häufigste Folge von Stürzen beim Rollkunstlauf. Der Läufer spürt einen örtlich begrenzten Schmerz, der Muskel kann anschwellen – möglicherweise entsteht ein Bluterguss. Sind Gelenke betroffen, ist eine Bewegungseinschränkung die Folge und es kann eine Verletzung am Schleimbeutel entstehen.
Verstauchungen / Verrenkungen
Gerade beim Kürlaufen habe ich Verstauchung im Sprunggelenk schon oft erlebt, auch die Studien weisen sie als eine der häufigsten Verletzungen aus. Dabei wird das Gelenk entgegen seiner eigentlichen Bewegungsmöglichkeit verdreht, bei der Verstauchung in etwas geringerem Maße, bei der Verrenkung stärker. Beide Verletzungsarten äußern sich durch Schwellungen und Schmerzen. Auch die Knie- und Handgelenke sind im Rollkunstlaufen des Öfteren betroffen. Gerade durch technische Fehler bei Sprüngen kann das Knie des Landebeins oder des Spielbeins („Wickeltechnik“) verdreht werden.
Bandverletzungen am Knie
Bänder und Muskeln bilden ein schützendes Korsett um unser Knie. Bei Sprüngen wirken starke Rotationskräfte, die wir nur mit einer technisch sauberer Landung abfangen können. Wenn bei der Landung etwas schief geht, kann es im Kniegelenk dazu kommen, dass auch unser schützendes Korsett diesen Kräften nicht mehr standhält und die Bänder teilweise oder ganz reißen. Oft merkt man das Ausmaß dieser Verletzung erst etwas später, wenn die Schmerzen sehr stark werden. Eine Schwellung des Knies und Wärmeentwicklung sind mögliche Anzeichen für eine Bandverletzung.
Frakturen der oberen Extremitäten
Die reflexartige Bewegung beim Sturz ist die, sich mit den Armen abstützen zu wollen. Das kann gut gehen oder führt im schlimmsten Fall zu einem Bruch. Dabei können alle Gelenke und Knochen der Arme in Mitleidenschaft gezogen werden – von den Fingern bis zum Oberarm. Überträgt sich die Kraft direkt auf die Schulter, kommt es zu einer Schulterluxation („ausgekugelte Schulter“) oder sogar einer Schultereckgelenksprengung.
Gehirnerschütterung
Bei Stürzen nach hinten oder fehlerhaften Sprüngen mit extremer Schräglage kann der Kopf gegen die Bahn schlagen. Kopfschmerz, Schwindelgefühl, Übelkeit und eventuell kurze Bewusstlosigkeit sind Anzeichen für eine Gehirnerschütterung.
Überlastungsschäden
Überlastungsschäden müssen von den akuten Verletzungen unterschieden werden und treten nicht durch ein einmaliges Ereignis, sondern durch anhaltende Gewebeüberlastung auf. Die immer wiederkehrende Beanspruchung über dem Toleranzbereich unseres Gewebes führt zu kleinsten Verletzungen, die im Laufe der Zeit aber zu einem chronischen Schaden werden können. Die Folge ist eine Reizung an Muskeln, Sehnen, Bändern oder ein Schaden am Skelett (z.B. ein Bandscheibenvorfall oder Ermüdungsbruch).
Ein typischer Überlastungsschaden bei Sprüngen ist das „Jumpers Knee“, die sich durch Schmerzen unterhalb der Kniescheibe bemerkbar macht. Durch ungewohnte und damit zu starke Zugbelastungen kommt es zu einer Reizung der Patellasehne, die sich anfangs nur während des Aufwärmens, später dann bei jeder Bewegung im Alltag bemerkbar macht.
Ursache kann aber auch eine muskuläre Dysbalance sein. X-Beine sind ein verbreitetes Beispiel dafür, dass die Muskeln auf der Außen- und Innenseite des Oberschenkels bzw. der Hüfte nicht im Gleichgewicht sind. Mit jedem Schritt wird das Knie falsch belastet und auf die Dauer auch geschädigt.
Typisch für Überlastungsschäden sind Schmerzen, die über einen längeren Zeitraum andauern und sich steigern.
Weitermachen - ja oder nein?
Da in den meisten Fällen kein Arzt anwesend ist, bleibt es zunächst bei der Sportlerin oder Trainerin, den Schweregrad einer Verletzung einzuschätzen. Neben der Frage nach dem genauen Hergang der Verletzung können folgende Anzeichen auf eine ernsthaftere Sportverletzung hindeuten:
- Eine Läuferin, die nach einem Sturz bewußtlos ist, sich auffällig verhält oder verwirrt erscheint, sollte auf jeden Fall ärztlich untersucht werden
- Deutlich sichtbare Schwellungen einzelner Körperteile (z.B. Knie)
- Das normale Bewegungsausmaß ist blockiert, auch wenn dabei keine Schmerzen auftreten
- Verformungen an Armen, Beinen, Rumpf oder Kopf
- Das Gefühl von Instabilität, wenn die Läuferin nach einem Sturz zum Beispiel empfindet, dass ihr Fußgelenk nicht mehr stabil ist oder sich „wackelig“ anfühlt
- Das Gefühl der Sportlerin, dass etwas zerrissen, geplatzt oder „verrutscht“ ist
Für mich gilt die Regel, dass ich eine Sportlerin lieber einmal zuviel aus dem Training nehme.
Grundregeln für die Erstversorgung
Bei fast allen Sportverletzungen ist es sinnvoll, sofort mit der Behandlung zu beginnen. Die Schwere der Verletzung wird begrenzt und die Verletzungszeit dadurch einfach verkürzt.
Offene Wunden wie Hautabschürfungen und kleine Platzwunden desinfiziert man am besten, damit sich die Wunde nicht entzündet. Danach wird die Wunde mit einem Pflaster oder Verband abgedeckt.
Für alle anderen Verletzungen gilt die sogenannte PECH-Regel:
Pause machen
Eis auflegen
Compression, Anlegen eines Druckverbandes
Hochlagern
Durch diese vier Maßnahmen erreicht man, dass keine weitere Flüssigkeit in das Gewebe im Bereich der Verletzung austreten kann. Das Eis betäubt zudem die Schmerzrezeptoren. Ist kein Eis oder Eisspray vorhanden, helfen fließendes kaltes Wasser oder kalte Umschläge weiter. Ein guter Grund, sich als Trainerin den Erste-Hilfe-Kasten in der Trainingshalle oder seine persönliche Ausrüstung mal anzuschauen!
Checkliste für die Erste-Hilfe-Ausrüstung
- mehrere Gel-Kältekompressen (falls ein Gefrierschrank vorhanden ist)oder Sofort-Kältekompressen (benötigen keine Kühlung)
oder Eisspray
- mehrere elastische Kompressionsbinden
- dehnbare Pflaster
- Schere
- Desinfektionsmittel
Bei Schmerzen durch eine chronische Überlastung sollte man zunächst einmal die Belastung vermindern: keine Sprünge mehr z.B. bei einer Patellasehnenreizung. Man muss das Training nicht völlig einstellen, sondern kann für eine gewisse Zeit auf Bewegungen ausweichen, welche das betroffene Körperteil nicht belasten. Nachdem alle Bewegungen wieder schmerzfrei ausgeführt werden können, sollten Trainer, Arzt und Sportler nach dem Grund für die Überlastung suchen. Ursachen können zum Beispiel ein falsches Aufwärmprogramm, eine einseitige Trainingsbelastung, eine zu kurze Regeneration zwischen den Trainingseinheiten oder ein zu schwache Muskulatur sein. Besonders durch ein gezieltes Muskelaufbautraining oder Mobilitätstraining lassen sich viele Überlastungsschäden vermeiden.
Wer nach einem Überlastungsschaden wieder in die alten Gewohnheiten zurückfällt, kann die Tage zählen, bis die Schmerzen wieder auftreten. Und dann geht es vielleicht nicht mehr so glimpflich ab…
¹Quellenangaben:
The incidence of injuries in elite junior figure skaters.
Dubravcic-Simunjak S, Pecina M, Kuipers H, Moran J, Haspl M
Am J Sports Med. 2003
Schäden an Stütz- und Bewegungsorgangen bei Leistungssportlern aus dem Bereich Eiskunstlauf im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, T. Rauer, 2011
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ändern!
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Devorah Oates (Montag, 06 Februar 2017 08:59)
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